Pressemitteilung, 13.06.2023 Pressemitteilung, 13.

Pressemitteilung, 13.06.2023

Pressedossier Spielzeit 2023-2024

Pressemitteilung 13.06.2023

 

Agenda

Förderer und Partner 

Boris Charmatz zur Spielzeit 2023-2024

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz

Von Marietta Piekenbrock

Liberté Cathédrale

Boris Charmatz - Kreation September 2023, Mariendom Neviges

Club Amour

Konzept Boris Charmatz

Lebenslauf Boris Charmatz Intendant

Lebenslauf Dr. Daniel Siekhaus Geschäftsführer

 

Pressekontakt

Ursula Popp

Referentin für Presse,

Öffentlichkeitsarbeit und Marketing

00 49 (0)202 563 6720

00 49 (0)172 882 3718

ursula.popp@pina-bausch.de

 

 

Boris Charmatz, Intendant des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, präsentierte heute den Spielplan der Saison 2023-2024, im Beisein von Matthias Nocke, Kulturdezernent der Stadt Wuppertal, Dr. Rolf-Jürgen Köster, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH, Daniel Siekhaus, Geschäftsführer ab August 2023 und Roger Christmann Geschäftsführer bis August 2023.

Kulturdezernent Nocke begrüßte die Pressevertreter*innen und betonte die Bedeutung der Arbeit von Boris Charmatz für die Tanzstadt Wuppertal und das Tanzland Nordrhein-Westfalen.

“Mit dem großartigen, mehrtägigen Projekt WUNDERTAL im Mai 2023, beschritt das Ensemble des Tanztheaters ganz neue Wege, gemeinsam mit Terrain, der französischen Struktur von Boris Charmatz, und in Kooperation mit dem Pina Bausch Zentrum und der Pina Bausch Foundation.

Wundertal/Sonnborner Straße steht für mich für eine intensive Verankerung des Ensembles in der Stadt bei einer stärkeren Fokussierung auf partizipative Projekte für alle! Für Laien und Profis unterschiedlicher Altersgruppen und kultureller Kontexte – drinnen und draußen. Ich freue mich sehr über den gelungenen Aufschlag und die enorme Publikums- und Presseresonanz. Boris Charmatz bringt die Stadt in Bewegung, eröffnet ganz neue Horizonte auch im Hinblick auf das, was das kommende Pina Bausch Zentrum sein könnte. Ich bin sehr gespannt auf zukünftige Projekte“

 

Vorschau auf die kommende Spielzeit

Nach einer Saison des Übergang 2022-2023 ist die Spielzeit 2023-2024 die erste von Boris Charmatz entwickelte Saison, mit neuen Formaten, die das künstlerische Erbe des Ensembles verbinden mit dem Repertoire von Boris Charmatz sowie mit Neukreationen unter seiner künstlerischen Leitung. 2023-2024 ist außerdem die erste von drei Spielzeiten, die im Zeichen der 50 Jahre des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch stehen.

„50 Jahre! Wir werden dieses Ereignis ausgiebig feiern – auf unsere Art!“ erklärt Boris Charmatz „Die Kerzen werden wir sehr langsam, aber mit viel Emotion ausblasen“.

Und ab 13. 06. 2023 präsentiert sich das Tanztheater Wuppertal mit einer neuen Website und Corporate Identity, entwickelt von der Berliner Agentur Mor-design und programmiert von Convoy Interactive, Hamburg.

 

Liberté Cathédrale (Premiere 08. 09. 2023)

Im September präsentiert das Ensemble des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch zusammen mit Terrain die erste Neukreation von Boris Charmatz im Mariendom in Neviges. Liberté Cathédrale ist ein Stück in fünf Teilen (Opus – Geläut – Berühren  –  For whom the bell tolls – Stille), mit von Phill Niblock orchestrierten Orgelklängen, Glockengeläut, mit Gesang, Momenten der Stille von großer Intimität, hervorbrechenden Bewegungen und skulpturalen Körper- und Bewegungsbildern. Sakral und profan.

„Wir lauschen den Klängen der Orgel und der Stille in der Kirche, wir geraten in Trance beim Geläut der Glocken aus ganz Europa, wir singen Beethoven, mit angehaltenem Atem, in einem Atemzug vereint, und ich glaube, dass die Inszenierung des Stücks auf dem rohen Betonboden des Mariendoms eine ganz besondere Resonanz entfalten wird.“ Boris Charmatz

 Liberté Cathédrale, konzipiert in einer Kirche, kann überall stattfinden, im Theater, in Opernhäusern, in Industriehallen, im Freien. Im Herbst 2023 wird das Stück im Rahmen der Biennale de la Danse in Lyon, später an der Oper in Lille und in Paris, im Théâtre du Châtelet gemeinsam mit dem Théâtre de la Ville gezeigt. Weitere Gastspiele sind geplant.

 

Club Amour

Für November 2023 entwickelt Boris Charmatz unter dem Titel Club Amour einen dreiteiligen Abend und verbindet Café Müller von Pina Bausch mit 2 seiner Choreographien – Aatt enen tionon und herses, duo. Alle drei Stücke berühren Themen wie Begehren, Sexualität, Nacktheit, Intimität, Sehnsucht, Scheitern. Club Amour wird im März 2024 im Haus der Berliner Festspiele und in Folge in Amiens und Valenciennes zu sehen sein.

 

Neueinstudierungen und Tourneen

Neueinstudierungen in Wuppertal sind geplant für Nelken, zuletzt gespielt 2019 in Charleroi, und Viktor, zuletzt gespielt 2018 in London. Darüber hinaus tourt das Ensemble mit Café Müller nach Istanbul, mit Vollmond nach Mulhouse, mit ´Sweet Mambo` nach Paris und mit Nelken nach London und Luxemburg.

 

Weitere Gastspiele sind mit Stücken von Boris Charmatz geplant in Metz, Rom, New York, Saint-Omer, Brive-Tulle, Paris, Poitiers, Luxemburg und Straßburg

Zu sehen sein werden SOMNOLE, étrangler le temps + boléro 2 und 10000 gestes

 

Intensivierung deutsch-französischer Kooperationen

Ein großes Anliegen ist Boris Charmatz die enge deutsch-französische Zusammenarbeit und die Reflektion kultureller, gesellschaftlicher und ökologischer Entwicklungen.

Die beiden komplementären Strukturen Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und Terrain (Hauts-de-France), erfahren in großen choreographischen Happenings wie Wundertal/Sonnborner Straße, werden unter der künstlerischen Leitung von Boris Charmatz auch in Zukunft eng zusammenarbeiten, Projekte entwickeln und Neuland erschließen.

 

Daniel Siekhaus, derzeit noch Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen, übernimmt ab 1. August 2023 die Geschäftsführung der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH und folgt somit auf Roger Christmann, der das Tanztheater seit 2019 leitet. Christmann wird auch weiterhin beratend für das Pina Bausch Zentrum und das Tanztheater Wuppertal tätig sein. Dr. Rolf-Jürgen Köster, Aufsichtsratsvorsitzender, würdigte die Arbeit von Roger Christmann in sehr schwierigen Zeiten mit Corona, der Überflutung der Oper und seine konstruktive Mitwirkung an dem partizipativen Findungsprozess für eine neue Künstlerische Leitung.

 

 

AGENDA / Aufführungen Wuppertal 2023

Sep 8. 9. 10. 12. 13. 15. 16.

Mariendom Neviges

Liberté Cathédrale

Boris Charmatz

Vorverkaufsbeginn 16.06.2023

 Aufgrund der begrenzten Plätze bitten wir um frühzeitige Presse-Akkreditierung über ursula.popp@pina-bausch.de, oder per Fon 0049 (0)202 563 6720

 

Nov 23. 24. 25. 26.

Opernhaus Wuppertal

Club Amour

Café Müller - Pina Bausch

herses, duo - Boris Charmatz

Aatt enen tionon - Boris Charmatz

Vorverkaufsbeginn 21.09.2023

 

2024

Jan 27. 28. 30. 31. und Feb 2. 3. 4. 

Opernhaus Wuppertal

Nelken

Pina Bausch

Vorverkaufsbeginn 01.12.2023

 

Jun 27. 28. 29. 30.

Opernhaus Wuppertal

Viktor

Pina Bausch

Vorverkaufsbeginn 02.05.2024

 

Gastspiele 2023

Sep 22. 23. 24.

Biennale de la Danse de Lyon

Liberté Cathédrale

Boris Charmatz

 

Okt 4. 5.

Centre Pompidou-Metz

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

Okt 6. 7. 8.

La Filature, Scène nationale de Mulhouse

Gastspielpartner: La Filature, Scène nationale de Mulhouse / Théâtre La Coupole, Saint-Louis / Théâtre du Jura mit der Unterstützung von CCN · Ballet de l’Opéra national du Rhin

Vollmond

Pina Bausch

 

Okt 10. 11. 

Teatro Argentina, Rome - Festival Romaeuropa

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

Okt 25. 26.

Zorlu PSM Turkcell Stage, Istanbul  

Café Müller

Pina Bausch

 

Okt 28. 29.

Skirball, New York

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

Dez 1.

La Barcarolle, Saint-Omer

étrangler le temps + boléro 2

Odile Duboc, Boris Charmatz, Emmanuelle Huynh

 

Dez 14. 15. 16. 18. 19.

Opéra de Lille

Liberté Cathédrale

Boris Charmatz

 

2024

Jan 9. 

L’Empreinte, scène nationale Brive-Tulle

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

Jan 11. 12. 

Mille Plateaux, Centre chorégraphique national de La Rochelle, mit La Coursive scène nationale

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

Feb 8. 9. 10.

Le Centquatre, Paris - Festival Les Singulier.es

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

 

Feb 14. 15. 16. 17. 19. 20. 21. 22.

Sadler’s Wells. London

Nelken

Pina Bausch

 

Feb 15. 16.

Théâtre Auditorium de Poitiers

SOMNOLE

Boris Charmatz

 

Mär 7. 8.

Haus der Berliner Festspiele, Berlin

Club Amour

Café Müller - Pina Bausch

herses, duo - Boris Charmatz

Aatt enen tionon - Boris Charmatz

 

Mär 8. 9.  

théâtre.s de la Ville de Luxembourg

10000 gestes

Boris Charmatz

 

Mär 13. 14. 15.

théâtre.s de la Ville de Luxembourg

Nelken

Pina Bausch

 

Mär 20. 21.

Le Maillon, Strasbourg

10000 gestes

Boris Charmatz

 

Mär 22. 23.

Maison de la Culture d’Amiens

Club Amour

Café Müller - Pina Bausch

herses, duo - Boris Charmatz

Aatt enen tionon - Boris Charmatz

 

Mär 27. 28.

Le phenix, scène nationale Valenciennes, mit Le Gymnase, CDCN Roubaix, im Rahmen des Festivals Le Grand Bain

Club Amour

Café Müller - Pina Bausch

herses, duo  - Boris Charmatz

Aatt enen tionon - Boris Charmatz

 

Apr 7. 9. 10. 12. 13. 14. 16. 17. 18.

Théâtre du Châtelet, mit dem Théâtre de la Ville, Paris

Liberté Cathédrale

Boris Charmatz

 

Apr 23. 24. 26. 27. 28. 30. und Mai 2. 3. 6. 6. 7.

Théâtre de la Ville, Paris

´Sweet Mambo`

Pina Bausch

 

Apr 27. 28.

Théâtre de la Ville, Paris

Ein Wochenende mit Boris Charmatz & dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain

 

Infos und Tickets

pina-bausch.de

 

Förderer und Partner

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und Terrain bauen gemeinsam, unter der Leitung von Boris Charmatz, ein deutsch-französisches Kunstprojekt. Terrain wird vom Ministère de la Culture – DRAC Hauts-de-France und von der Région Hauts-de-France gefördert und ist mit der Opéra de Lille, phénix, scène nationale de Valenciennes pôle européen de création, und dem Maison de la Culture d’Amiens – Pôle européen de création et de production, assoziiert. Das Tanztheater Wuppertal wird von der Stadt Wuppertal und dem Land Nordrhein-Westfalen gefördert.

Weitere Partner

Pina Bausch Zentrum und Pina Bausch Foundation

 

 

Editorial Spielzeit 2023–2024 

Guten Tag!

Ich schreibe dieses Vorwort um die neue Spielzeit anzukündigen, die im September beginnt … doch in Gedanken bin ich noch immer ganz bei den 182 Tänzerinnen und Tänzern, die an unserem leidenschaftlichen Happening Wundertal auf der Sonnborner Straße mitgewirkt haben. Und auch bei den vielen Menschen, die an diesem Tag ein unglaubliches Publikum waren. DANKE!

Ich bin natürlich nach Wuppertal gekommen, um mit dem legendären Tanztheater Wuppertal Pina Bausch zu arbeiten, doch am 21. Mai ist mir so richtig bewusst geworden, dass ich auch gekommen bin, um Sie kennenzulernen, SIE. Um mit dieser unvergleichlichen Stadt gemeinsam zu tanzen und sie tanzen zu lassen, wie Pina Bausch, die uns in unseren Köpfen und in unseren mitunter geschundenen Seelen zum Tanzen brachte. Ich bin gekommen, damit wir einander begegnen: die außergewöhnlichen Profitänzer*innen, Tanzstudierenden, Gymnasiast*innen, Schauspieler*innen, und Laientänzer*innen zwischen 16 und 88, Tanzbesessene, die keine Anstrengung scheuten und bereit waren, ihre Körper in den Kampf zu werfen.

Wie geht es weiter? Seit einigen Monaten schon arbeiten wir an dem ersten neuen Stück des Tanztheater Wuppertal: Liberté Cathédrale. Wir proben im Mariendom in Neviges. Wir lassen die Orgel und die Stille der Kirche widerhallen, wir geraten in Trance beim Geläut der Glocken aus ganz Europa, wir singen Beethoven, mit angehaltenem Atem, in einem Atemzug vereint, und hängen an unseren Lippen. Im September heißen wir Sie in diesem 1969 errichteten, unglaublichen Bauwerk willkommen. Unmittelbar danach gehen wir mit dem Stück für mindestens zwei Spielzeiten auf Tournee, wobei ich glaube, dass es auf dem rohen Betonboden des Mariendoms eine ganz besondere Resonanz entfalten wird.

Im November zeigen wir Club Amour: Abend des Begehrens, der Sexualität, der symbolischen oder konkreten Nacktheit… Café Müller findet sich wieder mit zwei „nackten“ Stücken aus meinem Repertoire, die wir auf der Bühne des Opernhauses zeigen: Aatt enen tionon und herses, duo. Der Abend endet in einer Nacht der entfesselten Körper mit einem Club, der unserer so gut geprobten Kunst in keinster Weise entgegensteht, sondern im Gegenteil das Bedürfnis nach nicht verhandelbarer Freiheit einlöst. 

Im Januar präsentieren wir eine Neueinstudierung von Nelken. Auch wenn das Stück ein Juwel der Kompanie ist, ist es doch heikel und schwer zu meistern: die unvergesslichen Rollen von Anne Martin, Lutz Förster, Dominique Mercy und anderen lassen uns nach wie vor nicht los. Ich glaube, dass sich die Kompanie danach sehnt, diesen Geist einer geeinten Truppe, den das Stück vermittelt, wiederzufinden: zwischen Kaskaden und Kinderspielen, gefährdeter Sicherheit und tanzenden Zikaden, die die Zeit vor dem aufziehenden Sturm nutzen.

Eine weitere umfassende Neuinterpretation eines Stücks von Pina Bausch wird Viktor sein, bei der das in voller Besetzung auftretende Ensemble durch eine Truppe alter Männer ergänzt wird und sich aus einem Erdgrab eine Choreographie der Körper und der Affekte entwickelt.

Parallel dazu zeigen wir in Istanbul Café Müller, in Mulhouse Vollmond und in Paris ´Sweet Mambo`. Club Amour wird nach Valenciennes, Amiens und Berlin gehen, Nelken nach London und Luxemburg, Liberté Cathédrale nach Lyon, Lille und Paris. Das Programm ist prall gefüllt, aber die Kompanie ist robust und großartig; ihre Geschichte, die sich in der Gegenwart fortsetzt, macht sie stark.

Und ja, eins ist noch wichtig: Terrain ist die Produktionsstruktur, die ich in Frankreich gegründet habe und mit der ich meine Arbeit entwickle, insbesondere in der Region Hauts-de-France. Tanztheater Wuppertal und Terrain arbeiten während der gesamten Spielzeit zusammen, wie wir es bei Wundertal erleben konnten. So kann ich zwischen den beiden Regionen, den beiden Ländern und den beiden künstlerischen Teams eine starke Partnerschaft aufbauen. Im Kalender der Spielzeit stehen auch die Daten der Tourneen meines Repertoires, es ist also ein gemeinsames künstlerisches Projekt, das von diesen beiden sich gegenseitig ergänzenden Strukturen getragen und das Programm prägen wird. Tanztheater Wuppertal, Pina Bausch, Boris Charmatz, Terrain: Wir schaffen einen neuen „Grund“, einen neuen „Tanzgrund“, der uns alle über die Grenzen des Vernünftigen hinaus tanzen lässt.  

Das Tanztheater Wuppertal feiert dieses Jahr einen runden Geburtstag: 50 Jahre! Wir werden dieses Ereignis ausgiebig feiern – auf unsere Art! Die Kerzen werden wir sehr langsam, aber mit viel Emotion ausblasen. Im Laufe der Spielzeit werden diese Aufführungen durch zusätzliche Veranstaltungen ergänzt, die sich mit der Zeit herauskristallisieren. Den Anfang aber bildet im September eine existenziell bedeutsame Choreographie in einer im brutalistischen Stil errichteten Kirche. ICH FREUE MICH AUF SIE!

Boris Charmatz, Juni 2023

 

 

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz

Marietta Piekenbrock

Im Revolutionsjahr 1968 beginnt die Tänzerin und Choreographin Pina Bausch (1940-2009) eigene Stücke zu entwickeln. Als sie 1973 als Direktorin nach Wuppertal kommt, benennt sie das Wuppertaler Ballett um in „Tanztheater“. Ihre Idee, Tanz und Theater zu verbinden, revolutioniert den Tanz und macht sie zur Ikone eines neuen Ausdruckstils. Für ihr Werk wird sie mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Das Repertoire der Compagnie ist weltweit bekannt, ihre Stücke werden bis heute auf Tourneen in der ganzen Welt gezeigt. Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch hat Tanzgeschichte geschrieben. Im Jahr 2023 feiert es sein 50-jähriges Bestehen.

Repertoire beginnt mit der Silbe „Re“. Sie steht für Wiederholung, für Wiederkehr und Rückkehr. Wir wissen heute, dass ein kulturelles Gedächtnis beides braucht, ein Archiv, in dem Geschichte materiell aufbewahrt wird und die periodische Re-Inszenierung der Bestände. Ohne Anstöße von außen kommt keine lebendige Erinnerung zustande. Für das Archiv und die Stücke von Pina Bausch bedeutet das: Was hier dauerhaft gespeichert wird, muss aufgeführt, neueinstudiert, ausgestellt, kritisch kommentiert und mit der Gegenwart abgeglichen werden.

Seit der Spielzeit 2022/2023 widmet sich der französische Tänzer und Choreograph Boris Charmatz (*1973) dieser Aufgabe. Mit seiner Intendanz in Wuppertal schlägt er ein neues Kapitel auf, indem er an die Spitze einer Compagnie tritt, die für den Personalstil Pina Bauschs steht und den Namen der Künstlerin weiterhin im Titel führt. Diese besondere Hybridsituation ermöglicht ihm, die vielfältigen Aspekte seines Schaffens zusammenzuführen: Seinen kreativen Umgang mit dem Tanzerbe der Moderne und Postmoderne, seinen Glauben an die Kraft von Kollektiven und seine Überlegungen zum Körper als Medium der Erinnerung. Für die Neueinstudierung von Café Müller (1978/2023) entwickelt Boris Charmatz drei neue Besetzungen. So ermöglicht er 18 jungen Tänzer*innen, ein wichtiges Stück Tanzgeschichte für sich zu entdecken und seine archaischen Figuren in die Gegenwart zu führen. „Am liebsten wäre mir, wenn in Zukunft alle „Café Müller“ tanzen würden. Das gesamte Tanztheater, das Publikum und ich selbst vielleicht auch irgendwann.“

Wie können Bewegungen, die eine Geschichte haben, von Körpern, die in der Gegenwart leben, aufgeführt werden? Warum tanzen wir? Was ist unser Tanzgrund? „In einer Welt, die sich unablässig verändert, in einer Gesellschaft, deren Teile auseinanderdriften, müssen wir uns neu ‚grounden‘“, sagt Boris Charmatz. Mit seiner französischen Association Terrain arbeitet er an einer Vision von einem Tanzhaus ohne Dach und Mauern. Menschliche Körper bilden eine mobile Architektur auf grünem Grund. „Der Weg in eine behütete Vergangenheit erweist sich als Fiktion“, notierte der französische Philosoph Bruno Latour. „Wo können wir landen?“ heißt eines seiner letzten Bücher, eine Art terrestrisches Manifest. Bestätigt von Latours politischen Leidenschaften, plädiert Boris Charmatz eindringlich dafür, eine neue Beziehung zur Erde zu entwickeln und unser Leben an den veränderten ökologischen Bedingungen auszurichten. 

Mit dem mehrtägigen Programm WUNDERTAL (2023) und dem Tanzmarathon Wundertal/Sonnborner Straße gelingt ihm der spektakuläre Auftakt zu einem deutsch-französischen Zukunftsprojekt, das den direkten Dialog mit der Stadt, ihren Bewohner*innen und der urbanen Landschaft sucht. Mit Café Müller und WUNDERTAL legt Boris Charmatz die Fundamente für die Spielzeit 2023-24, in der Tanztheater Wuppertal und Terrain gemeinsam neue Kreationen entwickeln. Den Anfang macht das langerwartete Ensemblestück Liberté Cathédrale (2023). Die Uraufführung findet im Mariendom von Neviges statt. Die einzigartige Beton-Faltwerk-Konstruktion gilt als das Hauptwerk des Architekten und Pritzker-Preisträgers Gottfried Böhm (1920-2021).

 

 

 Liberté Cathédrale

Boris Charmatz

 

Mitwirkende und Produktionsangaben

Choreographie Boris Charmatz

Mit dem Tanztheater Wuppertal Ensemble und Gästen (*):

Régis Badel*, Emma Barrowman, Dean Biosca, Naomi Brito, Emily Castelli, Ashley Chen*, Maria Giovanna Delle Donne, Taylor Drury, Çağdaş Ermiş, Julien Ferranti*, Julien Gallée-Ferré*, Letizia Galloni, Tatiana Julien*, Milan Nowoitnick Kampfer, Simon Le Borgne, Reginald Lefebvre, Johanna Elisa Lemke*, Alexander López Guerra, Nicholas Losada, Julian Stierle, Michael Strecker, Christopher Tandy, Tsai-Wei Tien, Aida Vainieri, Solène Wachter*, Frank Willens, Tsai-Chin Yu

Organist Jean-Baptiste Monnot

Choreografische Assistenz Magali Caillet Gajan

Licht Yves Godin

Kostüme Florence Samain

Tonmaterial Olivier Renouf, Phill Niblock, Ludwig van Beethoven …

Stimmtraining Dalila Khatir

Uraufführung am 8. September 2023 im Mariendom Neviges / Velbert

 

Produktion Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz

mit Unterstützung durch Dance Reflections by Van Cleef & Arpels

Koproduktion Théâtre de la Ville, Paris; Maison de la Danse, Lyon; Pôle européen de création als Beitrag zur Biennale de la danse 2023, Théâtres de la Ville de Luxembourg

mit Unterstützung durch die Kunststiftung NRW und steirischer herbst, Graz; Culturgest, Lissabon; Lafayette Anticipations, Paris

Wir danken Abbé Thomas Diradourian (Mariendom Neviges) und seinem wunderbaren Team für die großzügige Unterstützung.

 

Liberté Cathédrale

Text Boris Charmatz, März 2023

„Was sich zurzeit zwischen den Ensemblemitgliedern des Tanztheater Wuppertal und mir, zwischen dem brutalistischen Mariendom von Neviges und uns, zwischen dem laut dröhnenden Orgelklang und unseren Körpern vollzieht, ist ein Sich-näher-Kommen. Wir erarbeiten die Freiheit, uns Dinge vorzustellen, die es nicht geben würde, würden all diese ‚Körper‘ sich nicht aufeinander stürzen: die Tänzerinnen und Tänzer des Tanztheater Wuppertal stürzen auf die Tänzerinnen und Tänzer, mit denen ich bereits gearbeitet habe, zu, sie stürzen aufeinander zu in ihrer jeweiligen Vorstellung von der Freiheit und der Kathedrale, und all diese individuellen Empfindungen vereinen sich in einer Choreografie, die wir gemeinsam entwerfen. Momentan habe ich in meinem Kopf ein grobes Schema. Die Tänzerinnen und Tänzer stürzen sich hinein, es wird größer und lebendiger. Es ‚nimmt Gestalt an‘. Ich habe das Gefühl, dass wir wirklich ‚all diese Menschen‘ sein müssen, mit all ihren geballten Empfindungen, damit das Stück entstehen kann.

Ich schreibe nichts auf, ich lasse unsere Stimmen klingen, die Glocken, die Stille. Die Stille. Sie war ursprünglich nicht wirklich geplant, diese Stille. Und doch - diese ausgefüllte Stille, die so viele Menschen dazu verleitet, die Türschwelle einer Kirche zu überschreiten, die Stille, die uns beim Lesen der Berichte von Opfern pädophiler Priester packt, die Stille von all den Schweigeminuten - noch immer überlegen wir, wie wir ein Stück dazu choreographieren können. Manchmal betritt man eine Kirche nur, um sich zurückzuziehen. Um sich zurückzuziehen oder um sich selbst zu finden? Die lärmende Stille der Orte verwandelt jedes Handeln in Choreographie. Ich erinnere mich an einen Film, den ich gesehen habe, den deutschen Film Die große Stille über die Kartäusermönche der Grande Chartreuse, eines in den Bergen gelegenen französischen Klosters. Die schweigend ausgeführten Tätigkeiten dieser Mönche bilden eine seltsame Choreographie. Tagelang wechseln sie kein einziges Wort, und dann sieht man sie lachen und in ihrer Soutane einen Schneehang hinunterrodeln.

Ein wenig Stille in Liberté Cathédrale - und viel Musik, viele Klänge, die uns durchdringen, durchbohren. Die Glocken, die Orgel und sogar der Gesang im nachhallenden Kirchenraum erfüllen die Körper und die Luft. Selbst die umliegenden Städte vibrieren: Die Kirchenfenster, die schlanken Steinsäulen, die Glocken ‚verlassen die Kirche‘. Manchmal muss man sich an die instinktive Idee klammern: dass das chaotische Glockengeläut ein großes Musikstück für Tanz ist. Dass es sich um eine Art zeitgenössische Versammlung handelt, die zur fortissimo gespielten Orgel choreografiert werden könnte. Dass Freiheit und Kathedrale eine Wechselbeziehung eingehen können.

 

Wir arbeiten an fünf Teilen. Das sind gewissermaßen Blöcke, die wir derzeit nicht miteinander verbinden.

Opus

Wir singen einstimmig a cappella den gesamten zweiten Satz von Beethovens Opus 111. Wir tanzen nicht zu dieser Musik, wir verleiben sie uns ein, wodurch sie nicht mehr wiederzuerkennen ist. Das Klavier trägt uns, aber nur die Erinnerung an die Sonate bringt uns zum Singen. Sie ist übrigens nicht singbar! In den wichtigsten Momenten dieses Singens und Sichbewegens, der Atem ist möglichst lang gestreckt, ist der Tanz eng an die Stimme gebunden, sodass wir nur solange tanzen, wie wir gerade noch Luft haben. Das ist existenziell: tanzen, solange das Ausatmen noch nicht ganz zu Ende ist, tanzen, solange noch etwas Klang aus unseren Körpern kommt, gemeinsam.

Geläut

Wir praktizieren eine Art Headbanging zum Glockengeläut, das die Klänge mehrerer Städte miteinander vermischt. Wir geraten in Trance, die uns nicht mehr loslässt. Der Klang der Glocken ist an der Grenze von Musik und Botschaft, von ohrenbetäubendem Lärm und Leidenschaft, Leidenschaft der Trauer, der gefeierten Liebe, Leidenschaft des Chaos, das für mich im Geläut zum Ausdruck kommt, bei dem alle Glocken gleichzeitig in einer Kakophonie ertönen, die ich schon immer choreografieren wollte. Dieser Teil ist ein richtiger ‚Ausbruch‘, bei dem die Glockenschläge in ihrem unaufhaltsamen Wahn unsere Bewegungen hervorbrechen lassen und uns regelrecht sprengen: Wir brechen zu den Glockenschlägen aus, unendlich!!! Wir versuchen, sehr präzise zu den komplexen, unerbittlichen Rhythmen des Geläuts zu tanzen: Das Chaos geht einher mit einer Präzision, die uns in Atem hält 

Berühren

Zu dem von Phill Niblock orchestrierten Schwall an Orgelklängen entwickeln wir ein Kontaktstück, in dem nichts ohne Berührung vonstattengeht. Liegt es an der Corona-Zeit, in der Kontakte kriminalisiert und die Körper auf Abstand gehalten wurden, liegt es am ‚Noli me tangere‘ von Maria Magdalena? Oder liegt es an der Fußwaschung, oder an der Aufnahme von Aids-Kranken in einigen Kirchen, oder ganz einfach an der Freude, die Durchlässigkeit der Körper zu erproben? Es ist archaisch, wie so vieles in diesem Stück: Ich berühre dich und wir kommen in Bewegung.

For whom the bell tolls

Ausgehend von dem Gedicht von John Donne ‚No man is an island, entire of itself‘ suchen wir die Intimität, die Nähe des beinahe ins Ohr geflüsterten Textes. Was kann jeder Tanzende aus diesen Zeilen machen? Wir suchen auch andere, profane, Quellen, vielleicht die Erinnerung an ein Volkslied, die Teil des Weges werden könnten, wie Hieronymus Boschs Gemälde vom Heiligen Antonius oder die Ungeheuer an romanischen Kapitellen, die ein Teil der Kunst- und Religionsgeschichte sind.

Stille

Der letzte Teil, vielleicht wie ein Epilog: Was bleibt, wenn alles gesagt, gesungen, getanzt, gegeben wurde.

 

Dieses Stück kann überall stattfinden. Unsere Architektur beruht auf unserer in Bewegung befindlichen Gemeinschaft. Liberté Cathédrale wird in einer Kirche in der Nähe von Wuppertal konzipiert. Aber wir übertragen etwas von diesem Mariendom, in dem die Proben stattfinden, zum Beispiel auf einen Industriestandort, in eine Oper, wo es sofort zu etwas anderem wird. Uns schwebt sogar eine Aufführung im Freien vor, wo sich das Stück eines Tages entfalten könnte, ‚Kirche ohne Kirche‘! Werden wir dort freier oder weniger frei sein?“

 

CLUB AMOUR Konzeption: Boris Charmatz

„In den ersten Filmversionen von Café Müller fällt auf, wie sehr die Akteure einander begehren. Die Körper streben zueinander, erahnen einander, die Finger suchen die Berührung. Das Theaterleben überschneidet sich mit dem Leben der Künstlerinnen und Künstler. Die Rollen scheinen auf das dichte Beziehungsgeflecht der Menschen zugeschnitten zu sein. Das hat mir Lust gemacht, das Stück an einem Abend zu zeigen, an dem die Liebe und das Begehren im Zentrum stehen. Ich dachte dabei an zwei Stücke ‚meines‘ Repertoires, die sich auch mit diesen Fragen beschäftigen. Es ist ein Versuch: den Tänzerinnen und Tänzern des Tanztheaters Wuppertal, die diese Stücke noch nicht interpretiert haben, die Möglichkeit geben, sich mit der spröden Subtilität von Café Müller und der ungezügelten Radikalität von Aatt enen tionon auseinanderzusetzen und dieses Duo aus dem Stück herses (une lente introduction) mit in vollkommener Vereinigung ineinander verschlungenen Körpern zu präsentieren. Es soll ein lebendiger Abend sein: Purcell trifft auf PJ Harvey, die zeitlosen Kostüme von Café Müller stehen im Kontrast zur Nacktheit von Aattt enen tionon, die drei Stücke werden das Tanztheater Wuppertal 2024 in Schwingung versetzen!“                                                                          Boris Charmatz, März 2023

Club Amour

Konzeption: Boris Charmatz

Mit dem Ensemble des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Gesamtdauer: ca. 2 Stunden

Café Müller (1978)

Inszenierung & Choreografie: Pina Bausch Bühnenbild und Kostüme: Rolf Borzik Mitarbeit: Marion Cito, Hans Pop Musik: Henry Purcell Dauer: 40 Minuten

 

Aatt enen tionon (1996) Choreografie: Boris Charmatz Licht: Yves Godin Gerüst: Gilles Touyard Ton: Hubertus Biermann, Olivier Renouf Klangmaterial: PJ Harvey Dauer: 40 Minuten

 

herses Duo aus herses (une lente introduction) (1997) Choreografie: Boris Charmatz

 

Licht: Yves Godin Musik: Stefan Fraunberger Dauer: 15 min.

Produktion und Vertrieb Club Amour: Tanztheater Wuppertal Pina Bausch + Terrain Boris Charmatz

 

Der Tänzer und Choreograph Boris Charmatz 

Als Tänzer, Choreograph, aber auch als Schöpfer experimenteller Projekte wie der ephemeren Schule Bocal, dem Musée de la danse oder Terrain, einer Institution ohne Mauern und ohne Dach, ordnet Boris Charmatz den Tanz formalen Regeln unter, die das Feld seiner Möglichkeiten neu definieren. 

Von 2009 bis 2018 leitete Boris Charmatz das Musée de la danse, Centre chorégraphique national de Rennes et de Bretagne. Im Januar 2019 startete er Terrain, seine neue Struktur in der Region Hauts-de-France.

Von À bras-le-coprs (1993) bis SOMNOLE (2021) schuf er eine Reihe aufsehenerregender Stücke, darunter Att enen tionon (1996), enfant (2011), das für den Cour d´Honneur des Festival d´Avignon produziert wurde, sowie 10000 gestes (2017). Er ist Autor mehrerer Bücher (Entretenir/à propos d´une danse contemporaine, 2003, gemeinsam mit Isabelle Launay; Je suis une école, 2009) und tritt auch als Interpret und Improvisator auf (u.a. mit Odile Duboc, Médéric Collignon, Anne Teresa de Keersmaeker und Tino Sehgal). 2021 realisierte Boris Charmatz La Ronde im Rahmen der Veranstaltung Avant-travaux, Le Grand Palais invite Boris Charmatz und orchestriert zur Eröffnung des Grand Palais Éphémère eine Performance für 130 Tänzer*innen, Happening Tempête. Im Juli 2021 eröffnete er das Manchester International Festival mit Sea Change, einer choreographischen Arbeit im öffentlichen Raum mit 150 Amateur- und Profitänzer*innen.

 

Dr. Daniel Siekhaus

Geschäftsführer Tanztheater Wuppertal Pina Bausch ab 1. August 2023

Dr. Daniel Siekhaus studierte ›European Studies‹ und ›Kulturmanagement‹ in Passau und St. Andrews (Schottland). Er promovierte am King’s College der Universität Cambridge (England). Nach einer ersten Tätigkeit als Assistent der Direktion und Künstlerischer Koordinator des Royal Ballet in London war er als Manager und Dramaturg für das Thüringer Staatsballett tätig. Von 2018 bis 2023 war er Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester GmbH. Ab Beginn der Spielzeit 2023/24 ist er Geschäftsführer der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH.

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