Choreografie: Boris

Charmatz

héâtre-élévision

Pseudo-Performance

 

Konzeption

Verschachtelte Räume Der für das Projekt in Anspruch genommene Raum besteht aus ineinander geschobenen Boxen, wobei die Box des Objekts Fernseher Platz für eine ganze Serie von gefilmten Räumen lässt. Ob Black Box des großen Theaters oder kleinere Boxen, die Choreografie findet immer im symbolischen Inneren eines Fernsehers statt, nur die Maßstäbe ändern

sich in radikaler Beständigkeit.

Hypnose Man betritt das héâtre-élévision einzeln, findet dort aber die Bequemlichkeit einer Opiumhöhle. Man darf sich einen verdienten Halbschlaf erlauben, der den Prozess nicht stört. Den hypnotischen Auslöser entnimmt man dem marginalen Fernsehvokabular: dem Testbild. Zielscheibe und Talisman, es ist das ideale Fixierobjekt. Dieses Objekt wird zur wiederkehrenden Schicht über der Aufführung und signalisiert den Aspekt außerhalb des Programms. Der Wechsel von Tanzsequenzen und Testbild steuert die schwankende Aufmerksamkeit des schlafenden Zuschauers.

Rhythmus Ein archaischer und unregelmäßiger russischer Rhythmus, der uns am Springen hindert, wenn wir ihn nicht mehr haben.

Knoten Ohne es genau beschreiben zu können, spüre ich, dass héâtre-élévision nach einem Knoten für den Tanz verlangt, der noch nicht gefunden, definiert oder beschrieben wurde.

Solange wir für den Tanz die Abgeschlossenheit eines begrenzten Raums, des Theaters und des Fernsehens, riskieren, sollten wir ihn in die Nähe dessen bringen, was ihn a priori physisch bedroht: Gesicht und Hand mit eindeutigem Ausdruck, Sitze, wie sie für die westliche Dramaturgie nur allzu üblich sind. Es könnte sein, dass wir in der Kinesiologie, die durch die Lippen und die Augenlider offen gehalten wird, ziemlich verrückte Dinge entdecken. Es geht nicht darum, Grimassen zu schneiden, sondern choreografische Entwicklungen mit einer subtilen Chemie aus Spannungen von Sprache und Stimme kurzzuschließen. (Das ist vielleicht nur eine Spur, aber dieser Tanz, der sich mit diesem archaischen und unregelmäßigen russischen Rhythmus artikuliert, sollte in den Körpern haften bleiben.)

Fürsorge Unser Fernseher wird zum Objekt einer außergewöhnlichen Fürsorge.

Das Objekt Fernseher existiert normalerweise nur, um mit Bildern zu bombardieren, es sei denn, es steht in Ausstellungsräumen herum, vergessen. héâtre-élévision gestaltet stattdessen eine Szenografie für das Objekt, und die Zuschauerinnen und Zuschauer werden zu einer individuellen Vorstellung geladen. Die Aufführung hat einen Anfang und ein Ende, auch wenn es der Zuschauerin bzw. dem Zuschauer natürlich freisteht, den Raum zu verlassen und sich nach anderer Fürsorge umzusehen, wenn die Einsamkeit erdrückend wird.

Tänzer*innen

Wie oft sehen Sie Tänzer*innen im Fernsehen?

Schichten Choreografien, die andere Choreografien überlagern und das Testbild der durchdringenden Töne von überlagerten Choreografien überlagern.

Klänge, die bereits von den Gesten der Choreografien widerhallen, noch bevor diese auf dem Bildschirm erscheinen.

In der Mitte jeder Schicht eine neue Schicht.

Eine Bühne füllt sich, leert sich, ein Körper schießt auf einen würfelförmigen Erdblock, man singt eine moderne russische Musik, tanzt zu dieser modernen russischen Musik für Kontrabass, Klavier und Schlägel und gerät mithilfe unserer Gesichter in Begeisterung (das ist das Theater im Westen).

Knoten (Fortsetzung) Um euch Lust zu machen, solltet ihr wissen, dass ein Kaninchen geschlachtet wird (wegen des Rituals) und dass wir mitunter genauso willenlos sind wie die Zuschauerinnen und Zuschauer.

Endogenes Problem

Was bleibt von uns, von unserer Kunst, von unseren Gerüchen? Können wir behaupten, auch hier nur Choreografie zu machen, wenn es sich auch um Film und Fernsehen handelt (was sich nicht leugnen lässt)?

Testbild Lieber das Testbild als das Spiegelbild! Das hätte der Titel sein können, im Namen der Hauptrolle. „Testbild“ oder der Tanz im Orbit. Aber héâtre-élévision klingt noch leerer, man spürt deutlich die poetische Leere, die durch die Essenz des Tanzes an Farbkraft gewinnt. Man kündigt nichts von dem an, was den Charakter des Projekts ausmachen wird. Man ahnt nicht, dass es ein spezielles, auf die Norm aufgepfropftes Projekt ist.

Schwerkraft Die Idee, sich hinzulegen, hat etwas damit zu tun, dass es unmöglich ist, einen Western im Liegen anzuschauen: So kann man sich mit dem Reiter auf seinem Pferd nicht wirklich identifizieren. Es sei denn, man legt auch den Reiter und das Pferd hin, was héâtre-élévision vorschlägt. Und dann? (Der Reiter sieht weniger stolz aus.)

Boris Charmatz

héâtre-élévision héâtre-élévision héâtre-élévision

Choreografie

Bild

Madjid Hakimi

Licht

Yves Godin

Künstlerische Koordination

Dimitri Chamblas

Ton

Olivier Renouf

Vokaltraining

Dalila Khatir

Tonaufnahme

Claire Thiébault

Audiovisuelle Beratung

Isabelle Tat

Technische Leitung

Jean-Michel Hugo

Inspizienz

Fred Fournel

Ausstattung

Christian Borger

Christophe Couzon

Christian Giordano

Laurence Rossignol

Praktikant*in

Marie-Lou Burger

Fotograf*in

Stéphanie Jayet

Montage

César Vayssié

Produktion

Association edna; Musée de la danse / Centre Chorégraphique National de Rennes et de Bretagne – Leitung: Boris Charmatz. Gefördert durch das Ministère de la Culture et de la Communication (Direction Régionale des Affaires Culturelles / Bretagne), die Stadt Rennes, den Regionalrat der Bretagne und den Generalrat von Ille-et-Vilaine.
 Das Institut français unterstützt regelmäßig die internationalen Tourneen des Musée de la danse.

Musik

Stücke von Galina Ustwolskaja, Composition No. 1 „Dona nobis pacem“ (1970–1971) und von Philippe Bailleul

Uraufführung

9. Aug 2002, La Chaufferie, Saint-Denis

Dauer

52min

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Besetzung

Interpretation
Philippe Bailleul
Nuno Bizarro
Julia Cima
Benoît Lachambre
Mathilde Lapostolle
Myriam Lebreton

Koproduktion: Kaaitheater (Brüssel), Le Cargo Maison de la culture de Grenoble, Les Spectacles vivants – Centre Pompidou, Centre national de la danse, Centre chorégraphique national de Tours (accueil studio), Bonlieu Scène Nationale Annecy, Festival d’Automne à Paris, Montpellier Danse, Centre chorégraphique national de Montpellier Languedoc-Roussillon, Hebbel-Theater Berlin, Siemens Arts Program.

 

Mit der Unterstützung von DICRéAM (Dispositif pour la Création Artistique Multimédia et Numérique), die Compagnie DCA – Philippe Decouflé, Iris Caméra und Locaflash.

 

Mit Dank an: Das Centre National de la Danse, das Théâtre National de Chaillot, Dieppe Scène nationale, Le Rayon Vert (Saint Valery en Caux), La Chaufferie (Saint-Denis), das Théâtre de la Ville, Bonlieu Scène nationale Annecy, Public, La Muse en circuit, das IFOB (Ile de France Opéra Ballet), das Conservatoire National Supérieur d’Art Dramatique (Paris)
 sowie an das Edinburgh International Festival, Les Grandes Traversées (Bordeaux), das CDC (Toulouse), Espace des Arts (Châlon-sur-Saône) und Artservice International für ihre Unterstützung des Projekts.


 

Ebenfalls danken wir für ihre Unterstützung und ihr Engagement: Jérôme Bel und Rebecca Lee, Danys Bruyère und das Team von TSF sowie Yves-Marie Rinjard von Pianos Paul Beuscher.