Choreografie: Boris

Charmatz

50 ans de danse

In der Art eines choreografischen Flipbooks wird das Buch Merce Cunningham, un demi-siècle de danse zu einer fotografischen Partitur für dieses Stück. Die in wenigen Tagen erarbeitete Performance trägt je nach den einbezogenen Akteuren einen anderen Titel: 50 ans de danse (ehemalige Interpret*innen der Merce Cunningham Dance Company), Roman Photo (Studierende, Laien und Nicht-Tänzer*innen), Flip Book (professionelle Tänzer*innen).

"Das Buch Merce Cunningham, un demi-siècle de danse beschreibt den ganzen Cunningham: Fotografien von jedem Stück und von Merce selbst, ab seinem fünften Lebensjahr. Beim Lesen des Buches kam mir der Gedanke, dass all diese Bilder nicht nur die von ihm gezeichneten Projekte nahezu vollständig wiedergeben, sondern in sich selbst eine Choreografie bilden, ähnlich den Prozessen, die Cunningham in seiner kreativen Arbeit umsetzte: Tanz findet zwischen zwei Haltungen, zwei Positionen statt. Ich nehme also an, dass es möglich ist, aus dieser Bilderpartitur ein Stück zu entwickeln, das von Anfang bis Ende performt wird.

Es würde sich einerseits um ein reines „Fake-Cunningham“-Stück handeln, aber andererseits meine ich, dass, sollte uns das gelingen, im Gegenteil tatsächlich ein Cunningham-Stück, ein Meta-Cunningham-Event entstehen könnte, das sein ganzes Leben und Werk umfasste.

Ich betrachte diese Erfahrung als einen festen Bestandteil unserer Recherche, unseres spezifischen Interesses für Archive, Geschichte und Partituren, das hier seine bewegte aufwühlende Dimension finden könnte: die gesamte Geschichte eines Buch gewordenen Lebenswerks, das seinerseits in ein von einer Handvoll Tänzerinnen und Tänzern erarbeitetes Stück verwandelt wird."

Boris Charmatz

 

Das neue Projekt des Choreografen Boris Charmatz hat seinen Ursprung in dem Buch Merce Cunningham, un demi-siècle de danse – eine Fotosammlung, die die Entwicklung dieses Monuments der Tanzgeschichte nachzeichnet. Diese Choreografie ist ein Schnelldurchlauf durch seine einhundertfünfzig Stücke, sie greift die Bewegungen auf, die ihn zusammen mit John Cage zum Vorreiter der Zufalls- und Kombinationsspiele auf choreografischem Gebiet machten.

Für Boris Charmatz, den Initiator des Schulprojekts Bocal und Direktor des Musée de la danse, ist das kulturelle Erbe vor allem ein lebendiges Material, das sich für Umdeutungen und wilde Neuaneignungen eignet. In der Art einer „Readymade“-Choreografie griff er sich diese Fotografien und stellte sie zu einem riesigen Flipbook zusammen, das die Mechanismen der Reproduktion von Gesten hinterfragt.

Tanz nach dem Baukastenprinzip, belebte Fotokopie, rasante Performance – 50 ans de danse ist ein nicht einzuordnendes und vielseitiges Stück. Es begann mit Kunststudierenden, die Wiederaufnahme erfolgte mit professionellen Tänzer*innen und danach mit Laientänzer*innen, dieses Mal nun gibt es eine Begegnung mit ehemaligen Interpret*innen Cunninghams. „Mir gefällt sehr die Vorstellung, dass von diesen tausenden Gesten einige von ihnen selbst stammen und dass sie sich selbst neu interpretieren werden“, so Boris Charmatz. Für diese Wiederbegegnungen verleihen die Tänzer*innen den starren Gesten neues Leben, schließen Lücken und bieten uns eine Variation des Motivs, das der üblichen Hommage entgegengesetzt ist. Ein verspielter und turbulenter, echt-falscher Cunningham.

Gilles Amalvi im Programm des Festival d’Automne, Saison 2009/2010

50 ans de danse 50 ans de danse 50 ans de danse 50

Choreografie

Licht

Yves Godin

Ton

Olivier Renouf

Leitung der Produktion

Sandra Neuveut

Martina Hochmuth

Amélie-Anne Chapelain

Produktion

Musée de la danse / Centre Chorégraphique National de Rennes et de Bretagne – Leitung: Boris Charmatz. Gefördert durch das Ministère de la Culture et de la Communication (Direction Régionale des Affaires Culturelles / Bretagne), die Stadt Rennes, den Regionalrat der Bretagne und den Generalrat von Ille-et-Vilaine. Das Institut français unterstützt regelmäßig die internationalen Tourneen des Musée de la danse.

Uraufführung

7. Dez 2009, Théâtre de la Ville, Paris

Dauer

50min

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Besetzung

Interpretation
Thomas Caley
Ashley Chen
Banu Ogan
Valda Setterfield
Gus Solomons
Cheryl Therrien
Foofwa d’Imobilité

Koproduktion: Théâtre de la Ville, Paris; Festival d’Automne à Paris; Tanzquartier Wien mit Unterstützung des ADC Genève und der Ménagerie de Verre

 

Mit Dank an: LiFE (Saint-Nazaire), HZT (Berlin), Centre de développement chorégraphique (Toulouse)